Die menschliche Intelligenz ist sehr komplex.
Viele Faktoren, sowohl Gene als auch äußere Einflüsse sind an der
Intelligenzentwicklung beteiligt.
Das X-Chromosom
Durch
Rückschlüsse bei Intelligenzdefiziten können die Genetiker auf
Fehlfunktionen der verantwortlichen Gene schließen. Das, bezogen auf
die Gesamtbevölkerung, mehr Männer geistig behindert sind, ist seit
über 100 Jahren gut belegt. Diese Erkenntnis legt die Vermutung
nahe, dass sehr viele Intelligenzgene auf dem X-Chromosom
(weibliches Geschlechtschromosom) liegen.
Horst Hameister ist
geschäftsführender Oberarzt der Abteilung Humangenetik der
Universität Ulm. Mit seiner Arbeitsgruppe ging er dieser Vermutung
nach. Bei der Analyse genetischer Daten verglich er das X-Chromosom
mit Nicht-Geschlechtschromosomen. Dabei entdeckte er auf dem
X-Chromosom dreimal mehr Intelligenzgene.
Intelligenz und
Evolution
Um zu erklären, was dieses Ergebnis
bedeutet greift Hameister zur Evolution. Das auf dem X-Chromosom
Gene liegen, die für die Entwicklung jeder einzelnen Tierart
verantwortlich sind, ist seit langem bekannt. Die geistigen
Fähigkeiten der Menschen gelten als ihr besonderes Merkmal, so
Hameister. Seit Darwin ist bekannt, dass für die Entwicklung einer
neuen Spezies neben vielen anderen Faktoren insbesondere die
Partnerwahl eine entscheidende Rolle spielt. Dabei wählt
gener
ell das Weibchen seine Partner aus. Das trifft,
erklärt der Ulmer Genetiker, allen Vorurteilen zum Trotz auch für
den Menschen zu.
Sex und
Natur
Unter sexueller Selektion verstehen die
Wissenschaftler die weibliche Auswahl der Männchen entsprechend
ihrer besonderen Merkmale und Fähigkeiten. Diesem Umstand verdanken
wir die ungeheure Vielfalt und Schönheit der Natur, beispielsweise
der Pfauen Schweif oder der Gesang der Nachtigall. Ergänzend dazu
steht die natürliche Selektion durch die Umwelt und spontane
genetische Veränderungen. "Unter dem Diktat allein der natürlichen
Selektion wäre die Welt inzwischen wahrscheinlich nur noch von
grauen, fetten Ratten bevölkert", vermutet Hameister.
Während es
im Tierreich keinen direkten Zusammenhang zwischen natürlicher und
sexueller Selektion gibt, nutzt der Mensch hier einen entscheidenden
Vorteil. "Mit einer überragend ausgebildeten Intelligenz gelingt es
nicht nur, für viele Frauen attraktiv zu sein und mit ihnen
Nachkommen zu zeugen; dieselben Gene verleihen auch im Überlebens-
respektive im täglichen Existenzkampf Erfolg," erläutert Hameister.
Somit ergänzen sich beim Menschen beide evolutionären Kräfte, so der
Forscher und beschleunigen die Intelligenzentwicklung.
Nicht ohne Frauen
Delikat
findet der Wissenschaftler, dass diese Entwicklung ausschließlich
von den speziellen Wünschen und Erwartungen der Frauen
abhängt. Auf dem Y-Chromosom (männliches Geschlechtschromosom)
konnten die Wissenschaftler bisher kein Gen ausmachen, das für die
Entwicklung von Intelligenz relevant ist.
Verteilt sich die
Intelligenz bei Frauen entsprechend der so genannten Gauß’schen
Glocke (Normalverteilung), gibt es bei Männern sehr viel mehr
Extremfälle. Daraus resultiert der größere Anteil von Männern im
sehr niedrigen Intelligenzbereich und auf der anderen Seite der
höhere Anteil von Männern im Bereich des hohen
Intelligenzquotienten. Dieser Umstand erklärt sich dadurch, dass
Männer neben ihrem Y-Chromosom noch ein X-Chromosom haben. Hat ein
Mann auf seinem X eine einzige besonders günstige Anordnung von
Intelligenzgenen befähigt ihn das zu außergewöhnlichen
Intelligenzleistungen – allerdings nur mit entsprechender Förderung
durch die Eltern.
Männer tragen also ein höheres Risiko schwach
begabt oder aber hoch intelligent zu sein, resümiert Hameister.
Manipulation
Die Angst vor
Genmanipulationen hält er in diesem Zusammenhang allerdings für
nicht begründet. Vielmehr vermutet er, dass Patienten, die durch
einem definierten Gendefekt geistig retardiert sind, in Zukunft
gentherapeutisch geholfen werden kann. Allerdings hält er es nach
dem gegenwärtigen Erkenntnisstand für nicht vorstellbar durch
Genmanipulation die allgemeine geistige Leistungsfähigkeit eines
werdenden Kindes zu beeinflussen.
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